VORBEMERKUNG

Das Buch, das abweichend vom Brauch der Sitzungsberichte in lateinischer Sprache erscheint, bedarf einiger aufklarender Worte. Sein Ziel ist, die Reste der voraristotelischen Rhetorik mit strenger Beschränkung auf die Theorie und ihre Urheber möglichst umfassend zu sammeln und kurz zu kommentieren. So lag es Anfang Dezember 1943 in der Teubnerschen Offizin korrigiert und als druckfertig erklärt vor, als ein Fliegerangriff auf Leipzig die Druckerei zerstörte. Eine im Laufe von Jahrzehnten entstandene Sammlung liegt dem Buch zugrunde. Es sind nun sechzig Jahre her, seit Hermann Usener mich einlud, mit ihm die rhetorischen Schriften des Dionys von Halikarnass herauszugeben, kein Wunder, dass ich zugriff. Dem hochverehrten großen Philologen, der mir dann zum Freunde wurde, sei hier noch ein Wort des Dankes gesagt. Aber die rhetorische Schriftstellerei der Alten war mir damals noch fremd, es galt, sich einzuarbeiten, zugleich wollte es der Zufall, dass Siegfried Sudhaus mit zäher Energie und bewunderungswertem Scharfsinn sich mühte, den in den Herculanensischen Rollen bald zerstört erhaltenen Text von Philodems Rhetorik wieder lesbar zu machen, und dass es mir vergönnt war, ständigen Einblick in seine Arbeit zu tun. Die Abhandlung über das Verhältnis des Philosophen Kritolaos zur Rhetorik ist auf diese Weise entstanden (Philodemi Supplementum S. VIII ff.). Wichtiger war mir die im Umgang mit Philodem entstandene Einsicht, dass Spengels Artium Scriptores, hochverdienstlich für ihre Zeit, den überlieferten Stoff keineswegs erschöpften und erneuert werden mussten. Der Begriff einer vollständigen Sammlung ist natürlich ein relativer, immerhin habe ich durch Jahrzehnte die Arbeit nicht ausgesetzt, und was ich zu geben vermochte, war so gut wie abgeschlossen, als ein zufälliges Zusammensein mit Eduard Schwartz und Johannes Stroux, dem heutigen Präsidenten der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, und eine nicht minder zufällige Aussprache über das, was man eben trieb, dazu führte, dass Stroux mich ersuchte, die Arbeit der von der Berliner Akademie geplanten Ausgabe der Rhetores Graeci zu überlassen, in deren Entwurf, der von Hugo Rabe stammt, sie ursprünglich nicht vorgesehen war. So kam es dazu, den Kommentar lateinisch zu fassen. Im Jahre 1942 begann der Druck, Ende 1943 war die Korrektur beendet, unmittelbar darauf erfolgte die Katastrophe. Nach sechs Jahren des Wartens zeigte sich keine Hoffnung, das Werk im Teubnerverlag neu zu drücken, und ich bin der Teubnerschen Verlagsgesellschaft wie auch dem Präsidenten der Berliner Akademie der Wissenschaften zu herzlichstem Dank verpflichtet, dass sie mir den Weg zu einem Drucke in Wien freigegeben haben. Man wird verstehen, wenn ich, hoch in Jahren, vielleicht noch selber Dinge zum Abschluss zu bringen begehrte, die mich durch ein Menschensleben beschäftigt haben und an die sich so manche Erinnerung an eine glücklichere Jugend knüpft. Wenige Zusätze im Kommentar und den Addenda, vor allem ein Index rhetorum, sind neu hinzugekommen. Den Freunden A. Lesky und W. Kraus habe ich für hingebenden Beistand bei der Korrektur zu danken.         j        

 

Wien, im Juni 1951.     

PRELIMINARY NOTE

This book, which appears in Latin in contrast to the custom of the Sitzungsberichte, needs a few words of explanation. Its goal is to collect the remains of pre-Aristotelian rhetoric with a strict restriction to its theory and its authors, as comprehensively as possible, and briefly to comment on it. Thus, at the beginning of December 1943, it had been proofed in the Teubner Press and was ready for printing when an air raid on Leipzig destroyed the printing works. A collection created in the course of decades is the basis of the book. It is now sixty years since Hermann Usener invited me to publish the rhetorical writings of Dionysius of Halicarnassus with him; no wonder I agreed. To the honored great philologist, who then became a friend to me, I would like to say a word of thanks here. But the rhetorical literature of the ancients was still foreign to me at that time.  It was necessary to get acquainted with it, and at the same time Siegfried Sudhaus happened to be working with energy and admirable ingenuity to make the text of Philodemus’ rhetoric readable again, which had been preserved, half destroyed, in the Herculanenian roles, and I was allowed constant access to his work. The treatise on the relation of the philosopher Critolaus to rhetoric emerged in this way (Philodemi Supplementum p. VIII ff.). What was more important to me was the insight I had gained in my dealings with Philodemus, that Spengel’s Artium Scriptores, of great merit for their time, had by no means exhausted the surviving material and had to be redone. The concept of a complete collection is, of course, a relative one; nevertheless I have over decades not given up my work, and what I was able to give was almost complete, when a chance meeting with Eduard Schwartz and Johannes Stroux, now President of the German Academy of Sciences in Berlin, and a no less chance discussion of what was being done, led Stroux to ask me to turn over the work to the edition the Acadamey planned of the Rhetores Graeci, in whose draft,stemming from Hugo Rabe, it was originally not intended to be included. That is how it came about that the commentary is in Latin. Printing began in 1942, and the corrections were completed by the end of 1943, followed immediately by the catastrophe. After six years of waiting, there was no hope of reprinting the work at Teubner, and I am indebted to both the Teubner and the President of the Berlin Academy of Sciences for allowing me to print in Vienna. I hope that there will be understanding that that I in my old age wish to bring to a close myself things that have occupied me my whole life and that evoke so many memories of a happier youth. A few additions to the commentary and the addenda, especially an index rhetorum, have just been added. I thank the friends A. Lesky and W. Kraus for devoted assistance with corrections.

Vienna, June 1951.